Umso besser man einen Menschen, ein Ereignis oder einen Gegenstand der Kultur kennenlernt – desto angemessener gelingt seine Abbildung. Das gilt in der Wissenschaft ebenso wie in der Kunst oder im Journalismus, ist gültig für Bild und Text gleichermaßen. Um etwas kennenzulernen, muss man sich Zeit nehmen, Menschen und Gegenstände länger begleiten, sich interessieren. Das gegenwärtige Primat der Ökonomie – zeitlich, finanziell und emotional – scheint uns diese Hingabe nicht mehr zu erlauben. Im Dienst am Menschen, krank oder gesund, schwach oder stark, in Belangen der öffentlichen Sicherheit, der Bildung, der Politik und besonders im Journalismus, aber auch im Supermarkt oder der Bäckerei nebenan, ist Zeit eine denkbar knappe Ressource. Dieses zu großen Teilen kurzsichtige und oberflächliche Verständnis von Ökonomie und Effizienz wird uns als Gesellschaft auf lange Sicht teuer zu stehen kommen. Den Philosophen, Baumeistern, Künstlern und Gelehrten von der Antike bis zur Frühen Neuzeit galt als höchstes Gesetz in Rhetorik und Architektur gleichermaßen die Angemessenheit, präsent in den Begriffen decorum (das Schickliche, Passende) und aptum (das Angemessene). Dieses Schickliche oder Angemessene steht nicht im Gegensatz zum ökonomischen Bewusstsein, es gibt ihm nur ein anderes, ungleich solideres Fundament. Das Maß ist der Gegenstand des Interesses selbst: der Mensch, das Ereignis, das kulturelle Artefakt. Welcher Aufwand ist notwendig und angemessen, um ihnen möglichst gerecht zu werden, ihre Besonderheit und Würde achtend? Diese Frage bildet das Maß meiner Arbeit. Auch wenn ich mir bewusst bin, dass ein Gegenstand  und dessen Abbildung nie identisch sein können, bemühe ich mich um Annäherung.